Aus den Spitälern

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Der Pathologe Alexander Tzankov vom Unispital Basel sagt: »Als wir den Brustkorb öffneten, sahen wir eine mit Blut gefüllte, bläuliche Lunge: nicht das Bild von einer Pneumonie, das wir erwartet hatten.«
Aus der Pflanzenpathologie, 1941 (ETH-Bibliothek Zürich, Photographisches Institut der ETH Zürich)

Aus den Spitälern:

1. Pressekonferenz des Bundesverbands Deutscher Pathologen

Der Deutsche Pathologenverband hat eine Umfrage bei pathologischen Instituten durchgeführt. Insgesamt wurden 450 Einrichtungen angeschrieben, der Rücklauf betrug 15 Prozent. Offenbar, so der Verband, waren 424 Institutionen aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, Covid-19-Opfer zu untersuchen.

Insgesamt wurden 154 Todesfälle obduziert, 105 Männer und 49 Frauen. 29 Verstorbene waren jünger als 60 Jahre, 90 waren zwischen 60 und 80 Jahre, 28 älter als 80 Jahre alt. Bei mehr als vier Fünfteln der Obduktionen war eine Covid-19-Erkrankung die wesentliche oder alleinige Ursache des Todes (Vgl. Diskussionen über die Mortalität).

Es wurden zahlreiche SARS-CoV-2 bedingte Schäden in den Lungen und an verschiedenen Organen diagnostiziert. Mögliche Schädigungen des Immunsystems, der Leber, des Herzens und des Zentralnervensystems bedürfen noch weiterer Untersuchungen. Es wurden sehr häufig Folgen von »überschießender Blutgerinnung mit Verstopfung der feinsten Lungengefäße« und »massive Blutgefäßschädigungen« festgestellt.
Bei 78 Prozent der Untersuchten waren Vorerkrankungen mitverantwortlich für den Tod, am häufigsten waren Herz-Kreislauferkrankungen. Da die Schädigungen durch das Virus nicht nur die Lungen, sondern auch andere Organsysteme betreffen, könne man »mitnichten von einem normalen Grippevirus« sprechen und die Erkrankungen »unterscheiden sich grundlegend von vergleichbar schwer verlaufenden Lungeninfektionen durch Influenza«. Oftmals kommt es zu »Multiorgan-Infektionen«.

Das Durchschnittsalter der untersuchten Opfer liegt »ein Jahrzehnt unter dem Durchschnitt der Gesamttodesfälle« der jeweilig gleichen Altersgruppen. Das heißt, dass die tödlich Erkrankten durchschnittlich noch zehn Jahre gelebt hätten.

Der Verband fordert die Politik auf, die Bedingungen in den Instituten zu verbessern, damit mehr Obduktionen durchgeführt werden können, um die Infektionserkrankungen besser untersuchen und verstehen zu können. Ref.

2. Einzeluntersuchungen

Alexander Tzankov vom Unispital Basel und Zsuzsanna Varga vom Unispital Zürich berichten von ihren Obduktionen.

Tzankov schrieb in Das Magazin Ref. : »Als wir den Brustkorb öffneten, sahen wir eine mit Blut gefüllte, bläuliche Lunge: nicht das Bild von einer Pneumonie, das wir erwartet hatten… Wir erkannten, dass die Gasaustauschmembranen beschädigt waren, also die Struktur zwischen den Lungenbläschen und der Blutzirkulation, besonders die kleinsten Gefäßgeflechte und die Lungenbläschen. Man hätte diese Patienten also noch lange künstlich beatmen können, aber auf der Mikroebene hätten sie den Sauerstoff trotzdem nicht aufgenommen beziehungsweise weitertransportiert… Je mehr Risikofaktoren vorliegen, die die Fitness der Blutgefässe beeinträchtigen, desto geringer die Toleranz des Körpers gegenüber dem Virus.« Tzankovs und seine Kollegen veröffentlichten ihre Erkenntnisse erstmals im Fachblatt Histopathology. Dort resümieren sie: »Zusammenfassend geben unsere Ergebnisse einen Einblick in die Komplexität der Pathophysiologie von COVID-19. SARS-CoV-2 trug in allen Fällen wesentlich zur Sterblichkeit bei, aber wir postulieren eine multifaktorielle Todesursache, wobei COVID-19 bei multimorbiden Patienten eine Rolle spielt. Zu den wichtigsten Befunden, die eine beeinträchtigte Mikrozirkulation implizieren, gehören die pulmonale Kapillarostase und das Vorhandensein von Mikrothromben in Lunge und Nieren trotz Antikoagulation (Maßnahmen gegen Blutgerinnung, a.s.).«

Zsuzsanna Varga schreibt im April in The Lancet Ref. : »Unsere Befunde zeigen virale Elemente in der Wandschicht der Blutgefäße und eine Anhäufung von Entzündungszellen, mit Hinweisen auf einen endothelialen und entzündlichen Zelltod… Eine COVID-19-Endotheliitis könnte die systemisch beeinträchtigte Mikrozirkulationsfunktion in verschiedenen Gefäßbetten und deren klinische Folgen bei Patienten mit COVID-19 erklären.« Die Regulierung der Durchblutung wird massiv gestört und so kann es zu Multiorganversagen kommen.

3. Intensivstationen

Die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) hat erhoben, wie sich die Belegung der Intensivstationen seit Ausbruch der Pandemie entwickelt hat Ref. . In der Schweiz gab es per Anfang März 82 SGI zertifizierte Intensivstationen mit 950 bis 1000 Betten, davon 800 bis 850 mit Beatmungsgeräten. Die Anzahl Betten kann um 400 bis 450 aufgestockt werden (sogenannte Intermediate Care Units).
Am 30.3. waren 74 Prozent der Plätze belegt, 48 Prozent aller Betten mit Covid-19-Erkrankten, am 5.4. waren es 88 Prozent (56 Prozent Covid-19-Patienten), am 10.4. waren es 98 Prozent (50 Prozent Covid-19-Patienten), am 15.4. waren es 94 Prozent (42 Prozent Covid-19-Patienten), am 20.4. waren es 88 Prozent (31 Prozent Covid-19-Patienten), am 25.4. waren es 86 Prozent (29 Prozent Covid-19-Patienten). In der Folge nahm der Anteil der Covid-19-Patienten stetig ab, am 16.6. waren es noch 3 Prozent. Die Kapazitäten waren schweizweit ausreichend. Die Intensivstationen des Tessins und der Genferseeregion waren am stärksten ausgelastet, zum Teil gar überlastet.

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Quelle mit den entsprechenden Links: https://www.sgi-ssmi.ch/de/covid19.html

Quellen: Das Magazin, 11. Juni 2020 und https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/his.14134 (abgerufen am 8.9.2020)

Virus

Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.

Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)