Die Corona-Pandemie, die seit Januar 2020 das Weltgeschehen bestimmt, wird gemeinhin als außerordentliche Zeitperiode bezeichnet. Gleichwohl geht man in zahlreichen Berufen der gleichen Tätigkeit nach wie bisher. Das gilt etwa auch für Schriftstellerinnen und Schriftsteller.
Robert Walser schreibt über seine Berufskollegen: »Der Mann mit der Feder in der Hand ist quasi ein Held im Halbdunkel, dessen Betragen nur deshalb kein heroisches und edles ist, weil es der Welt nicht zu Gesicht kommen kann… Vielleicht ist das nur ein trivialer Ausdruck für eine ebenso triviale Sache, aber ein Feuerwehrsmann ist auch etwas Triviales, obschon es nicht ausgeschlossen ist, dass er gesetzten Falls ein Held und Lebensretter sein kann.«
Das vorliegende unheroische Projekt nahm seinen Anfang im März 2020. Es wird keine Menschenleben retten. Der Schwerpunkt liegt in der Erfassung dessen, was geschehen ist oder gerade geschieht und was als wichtig angesehen wird. In diesen Aufzeichnungen wird kein rein literarischer Ansatz verfolgt. Es wird vielmehr versucht, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Diskursen und Texten herzustellen. Kathrin Röggla hat in einem FAZ-Artikel festgehalten, dass Texte gemischte Realitäten beschreiben müssen, die dem »Nebeneinanderher von neuer Logik, alten Problemen, unerwarteten Auswirkungen der Situation gerecht werden«.
Sie finden hier Momentaufnahmen, Aperçus, Gedankensplitter, aber auch Erinnerungen und Fragmente aus der Vergangenheit. Des Öfteren werden Fakten wiedergegeben, die sich heute unter Umständen ganz anders präsentieren. Insofern zeigt diese Seite protokollartig die Zeitabhängigkeit von Wissen und Nichtwissen (meist mit dem Stichwort: »Stand des Wissens« versehen) – und stellt einen Immunisierungsversuch gegen Besserwisserei und geistige Verkrustung dar.
Die subjektive Lesart der Geschehnisse und deren mediale Verarbeitung ist Teil des Verfahrens, Objektivität ist nicht zu erreichen. Aber es wird eine möglichst unvoreingenommene, sachbezogene, nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den mehrdeutigen Umständen angestrebt. Fehlurteile gehören zur Logik dieses dialektischen Erkenntnisprozesses. Der NYT-Kolumnist Thomas L. Friedman hatte einmal geschrieben, wünschenswert sei es, Kognitive Immunität zu erlangen. All die hier referierten und zitierten Artikel, Untersuchungen, literarischen Auszüge, Kunstwerke etc. sollen dazu dienen, Fresszellen, T-Zellen, B-Zellen und Antikörper gegen Unsinn zu entwickeln. Denn einen Impfstoff gegen Ignoranz wird es nie geben.
Hüten wir uns auch vor unnötigen symbolischen Aufladungen natürlicher Vorgänge. Wir sammeln. Deshalb bleibt der Tonfall nüchtern.