Über Monster, Teil 1

Frankenstein, CS/UBS, Katerstimmung
Über das Zusammenfügen eines Monsters am Beispiel der Fusion zweier Großbanken. Mary Wollstonecraft Shelleys Frankenstein hat die Operation vorexerziert. Mit zweifelhaftem Erfolg. Ein Essay in zwei Teilen. 1. Die Vorgeschichte
Alex Feuerstein, Vulkan #15
Aus einer Installation in Wil (SG) von M.S. Bastian und Isabelle L.

Sumbawa, April 1815

Am 5. April 1815 kam es auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien zu mehreren heftigen Explosionen. Noch auf den 1400 Kilometer weit entfernten Molukken waren die Detonationen zu hören. Eruptionen erschütterten den Vulkan Tambora. Die Umgebung rund um den Berg wurde mit einer dicken Schicht ausgespiener Asche zugedeckt; der Geruch von Salpetersäure breitete sich aus. In den folgenden Tagen intensivierte sich das Geschehen. Am 10. April kam der Ausbruch zu seinem Höhepunkt. Augenzeugen berichteten von drei Flammensäulen, die weit in den Himmel ragten. Eine Masse, die aussah wie flüssiges Feuer, strömte aus; Bimssteine wurden aus dem Krater geworfen; eine Stunde später ging dichter Aschenregen nieder. Das Dorf Tambora wurde zerstört. Das fatale Spektakel dauerte noch bis am Abend des 11. Aprils. Der vormals etwa 4300 Meter hohe Tambora schrumpfte auf 2850 Meter. Heutige Schätzungen gehen davon aus, dass 140 Milliarden Tonnen Material ausgestossen wurden. Die unmittelbaren Folgen waren verheerend. Mehr als 70’000 Menschen verloren auf Sumbawa und auf Lombok ihr Leben. Weltweit waren es mehr als 100’000. Die Küsten der Nachbarinseln wurden von einem Tsunami zerstört.

Der Ausbruch war dermaßen stark, dass die Asche bis in die Atmosphäre geschleudert wurde. Dort wurde sie vom Jetstream erfasst und in alle Weltregionen getragen. In der Folge tauchte der ganze Erdball in ein milchig-graues Licht. Dieser Effekt trat aber erst 1816 voll in Erscheinung. Ein einzelnes, lokales Ereignis hatte markante meteorologische Verwerfungen auf dem ganzen Globus zur Folge. In Genf beispielsweise gingen die Temperaturen im Juni um 2,4 Grad Celsius zurück, im Juli gar um 4 Grad Celsius. Im Juni schien die Sonne gerade einmal einen Tag, sonst war es trüb und überdurchschnittlich regnerisch. Wegen der nassen und kalten Witterung brachen 1816 die Erträge aus der Ernte diverser wichtiger Getreidesorten weltweit ein. Der Weizen versoff auf den Feldern. Es kam zu prekären Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung. Dies führte zu Hungersnöten, die Sterblichkeit nahm zu. 1816 wurde denn auch das »Jahr ohne Sommer« genannt. Noch bis 1820 war die Abkühlung deutlich spürbar.

Genf, Juni 1816

In der Villa Diodati in Cologny bei Genf logierte im Sommer 1816 George Gordon Byron mit seinem Geliebten und Leibarzt William Polidori. Lord Byron war wegen diverser Eskapaden im Vereinigten Königreich in Ungnade gefallen und musste seine Heimat verlassen. Ebenfalls in Cologny wollten der junge Adelige Percy Bysshe Shelley, seine Geliebte Mary Wollstonecraft Godwin und deren Stiefschwester Claire Clairmont einen unbeschwerten Sommer verbringen. Leider regnete es andauernd und es war zu kalt, um sich im Garten oder auf der Terrasse zu vergnügen. Dass das garstige Wetter dem Vulkanausbruch auf Sumbawa geschuldet war, wusste man damals noch nicht. Das Grüppchen um den Lord fand sich zu einem Geschichtenvorlesen in der geheizten Wohnstube der Villa Diodati zusammen. Gerade eben war die französische Übersetzung von Fantasmagoriana von August Apel, Friedrich Laun, Heinrich Clauren und Johann Karl Musäus erschienen, es handelte sich dabei um eine Sammlung von Schauergeschichten. Mary Wollstonecraft schreibt in ihrem Vorwort zu Frankenstein: »Diese Geschichten weckten in uns den spielerischen Wunsch, sie nachzuahmen.« Für diesen kleinen Schreib-Wettbewerb verfasste Lord Byron das dramatische Gedicht Der Gefangene von Chillon, das er 1819 zusammen mit Mazeppa veröffentlichte. Polidori schrieb die später beendete Kurzgeschichte Der Vampyr, die erste Vampirerzählung der Weltliteratur. Percy Shelleys Geschichten sind nicht schriftlich überliefert. Aus Mary Wollstonecraft Godwin Beitrag entstand der 1818 veröffentlichte Roman Frankenstein oder der Moderne Prometheus. Sie hieß unterdessen Mary Shelley. Im Halbschatten des matten Sonnenlichts und in der Kälte des Jahres ohne Sommer entstand eines der bekanntesten Werke aus der Kategorie des Schauerromans.

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Virus

Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.

Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)