Risikoreiche Beatmung

Die Frage nach der Intubation
Icon Aus der Praxis
Icon Zum Gang der Pandemie

Diesen Artikel teilen auf:

Intensivmediziner und Lungenärzte haben herausgefunden, dass eine invasive Beatmung zuweilen risikoreich ist, da sie Krankheitserreger in die Lunge befördern kann, schreibt Nicola von Lutterotti in der NZZ.
Beatmungsgerät

Der Einsatz von Beatmungsgeräten hat sich seit Beginn der Pandemie gewandelt. Intensivmediziner und Lungenärzte haben herausgefunden, dass eine zu früh vorgenommene Intubation die Situation verschlimmern kann. Sie raten, mit nichtinvasiven Methoden die Sauerstoffnot der Patienten zu behandeln. Die invasive Beatmung, also die Intubation, ist zuweilen risikoreich, da sie Krankheitserreger in die Lunge befördern kann. Zudem werde bei der Beatmung Luft in die Lunge gepresst, was das Organ zusätzlich belaste. Da der Patient in ein künstliches Koma versetzt werden muss, müssen Medikamente, die das notwendige Adrenalin ersetzen, verabreicht werden, damit der Kreislauf nicht zusammenbricht. Diese Medikamente verringern jedoch die Nierendurchblutung und belasten das Herz. Zudem kommen bei älteren Menschen weitere Gefahren hinzu: Delirium, Verwirrtheit und ein Zu-Tage-Treten einer Demenz.

Der italienische Anästhesist Luciano Gattinoni hat zudem bemerkt, dass sich Covid-19 nicht gleich verhalte wie ein typisches Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS). Da die Patienten noch atmeten, sei von einem zu frühen Einsatz von Beatmungsgeräten abzuraten. Bei den Patienten seien zwar ein Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut und entzündliche Infiltrate festzustellen, aber häufig könnten sie noch gut atmen und das Gehirn erhalte genug Sauerstoff. Das hat auch Peter Steiger vom Universitätsspital Zürich festgestellt. Sauerstoffmangel sei nicht mit einem Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut gleichzusetzen. Covid-19-Patienten fühlten auch bei zu geringen Sättigungswerten oft noch keine Luftnot. Wichtig sei es, den Hämoglobingehalt im Blut und die Herzleistung zu beobachten, sagt Thomas Voshaar vom Lungenzentrum Moers. Eine Verschlechterung des Zustandes von Patienten hätte daher oftmals mit dem Herz zu tun.

Beatmungsexperten am Veterans Affairs Hospital in Hines, Illinois, halten dagegen fest, dass bei einem Abfall der Sauerstoffsättigung die Beatmung gleichwohl unterstützt werden soll, und zwar mit nichtinvasiven Methoden wie beispielsweise mit einer Nase und Mund abschließenden Maske, durch die Luft in die Lunge gepumpt wird. Auch Voshaar habe gute Erfahrungen mit nichtinvasiven Methoden gemacht. Bei korrekter Anwendung bestehe auch für das Personal eine geringe Ansteckungsgefahr, obwohl virenhaltige Aerosole in die Luft gelangen. In der Schweiz wird wegen dieses Ansteckungsrisikos auf nichtinvasive Methoden verzichtet. Bei Patienten, die invasiv beatmet wurden, ist die Sterblichkeitsrate bedeutend höher, über alle Fälle betrachtet, liegt sie bei 53 Prozent. Der Anteil variiert nach Alter und grundsätzlicher Gesundheit. Bei den nichtinvasiv Beatmeten liegt die Sterberate bei 16 Prozent. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es den Letzteren in der Regel gesundheitlich ohnehin besser geht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Virus

Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.

Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)