Lektüren: Yves Wegelin, »Ein Staat für die Vermögenden«

Über die Ungleichheit bei der Verteilung der finanziellen Mittel schreibt Yves Wegelin
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»Will man höhere Schulden wieder abbauen, so soll das über höhere Steuern für Banken, Konzerne und Vermögende passieren. Sie haben in der Krise einmal mehr profitiert«, meint Yves Wegelin in der WoZ vom 1. Mai 2020

Bis jetzt wurde hier die Mathematik und der Zahlensalat vor allem in Zusammenhang mit epidemiologischen Studien und Berechnungen verhandelt. Wenden wir uns einmal – im Andenken an den kaum begangenen 1. Mai – der Wirtschaft zu:

Wegelin schreibt in der WOZ über die Art der Verteilung der finanziellen Mittel, die der Bundesrat versprochen hat, handelt es sich doch bis jetzt um immerhin 60 Milliarden Franken, mit denen er die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise auffangen will. Sogar von der NZZ kam, wie Wegelin schreibt, dafür Zustimmung, vorderhand. Unterdessen ist die Tonlage bei der Zeitung von der Falkenstrasse gekippt und der Chefredaktor warnt vor einem ausufernden »Seuchen-Sozialismus« Begrifflichkeit . Wegelin kritisiert die Haltung der NZZ, die propagiert, dass, nachdem vom Bundesgeld auch und nicht zu knapp die »Banken, Immobilienbesitzer, Konzerne, Aktionärinnen und Großverdiener« – und etwa die NZZ selbst – profitiert haben, die Geldschleusen wieder geschlossen werden sollen (Steiner & Schmid Über Bärfuss). Dass also, wenn wegen des zu erwartenden Schuldenabbaus wieder Sparpakete gebündelt werden, für die vor allem die breite Bevölkerung und untere Lohnklassen aufzukommen haben. Das erste staatliche Hilfepaket umfasste 40 Milliarden Schweizer Franken.

Der neue Chef der Credit Suisse unterbreitete dem Finanzminister die Idee eines Kreditprogramms. Die Banken vergeben geldsuchenden Firmen billige Kredite. Sollten die Firmen diese Kredite nicht bedienen können, schreibt die Notverordnung vor, dass der Bund die Verluste den Banken erstattet. Dem Bund werden also faule Kredite abgeladen, wird also zur Bad Bank. Auch die 14 Milliarden Franken für die Entschädigungen für Kurzarbeit komme zum Teil – so Wegelin – den Banken zugute, könnten damit doch auch Hypotheken abbezahlt werden. Aber die Geldinstitute können auch Geld gewinnen, da sie kleine Kredite zwar zu null Prozent Zins vergeben, sie aber die nötige Liquidität bei der Schweizer Nationalbank, die ja einen Negativzins kennt, mit einem Zuschlag von 0,75 Prozent bekommen. Die beiden Großbanken haben versichert, dass sie Gewinne aus Coronakrediten spenden wollten. Wegelin traut diesem Versprechen nicht. Die zweiten Gewinner des Geldsegens des Bundes sind die Immobilienbesitzer. Einerseits würden etliche Firmen einen substanziellen Betrag der Coronakredite, die sie bei den Banken beziehen, für die Miete einsetzen. Auch von den Entschädigungen für Kurzarbeit dürfte ein erheblicher Teil an die Vermieter gehen. Da über Immobilien eher die Reichen verfügen, dürften sie von den Nothilfen profitieren beziehungsweise nicht markant geschädigt werden. Es liegt in den Händen der Hausbesitzer, über Mieterlasse zu entscheiden. Ein weiterer Aspekt ist der fehlende Passus in der Verordnung, dass jene Firmen, die Nothilfe erhalten, keine Dividenden auszahlen dürfen, das beträfe Unternehmen wie zum Beispiel die NZZ, Adecco, ABB, Sika. Die Genannten vergüten Dividenden. Hier profitieren ebenfalls die AktionärInnen, die erfahrungsgemäss zu den eher Gutbetuchten gehören.

Wegelin bemängelt auch, dass der Bund bei der Entschädigung der Kurzarbeit Löhne bis CHF 148’200 berücksichtigt, also auch sehr ansprechende Saläre. Insgesamt ein Viertel der Hilfsgelder bekommt die untere Hälfte der Einkommen. Das ist das Kleingewerbe, das sind Einzelfirmen, die Gastronomie und Selbständige, Kulturschaffende et cetera. Aber es dauert. Nicht zu erwähnen die miserabel bezahlten PflegerInnen, wo man gespannt verfolgen wird, was mit deren Forderungen nach mehr Lohn passiert. Wegelin fragt sich, wieso die Bürgerlichen dermaßen gegen den Staat wettern, das müsse ein großes Missverständnis sein, er hilft ihnen doch. Die Verordnung weist also große Lücken und Ungerechtigkeiten auf. Es profitieren in erster Linie, jene, die von der Krise nicht existentiell bedroht sind. Wobei profitieren in diesem Falle eher heißt, die Schäden dürften sich in Grenzen halten. Das Parlament müsse nun Gegensteuer geben. Der Staat könnte sehr wohl etwas mehr Geld leihen und sich verschulden. »Will man höhere Schulden wieder abbauen, so soll das über höhere Steuern für Banken, Konzerne und Vermögende passieren. Sie haben in der Krise einmal mehr profitiert.«

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Allein schon über den Begriff »Seuchen-Sozialismus« wie auch über die historischen Referenzen des Gebrauchs von »Durchseuchung« ließe sich trefflich schreiben.

Virus

Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.

Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)