1898 schreibt der Arzt Peter Robert Berry, der später zum Schriftsteller, Komponist und Maler mutiert, seinem Freund und Künstler Andrea Robbi in einem Brief: «Wie es mir geht?, werden Sie mich fragen. Es geht mir herzlichst schlecht! Krank, ruiniert, isoliert von jeder geeigneten Gesellschaft, ohne Praxis, ohne Geld, ohne Credit, ohne Aussichten einer Besserung – dafür millionenhafter Millionär an Sorgen, Aerger und Process-Unannehmlichkeiten!» Schuld an dieser Misere, so glaubt Berry, ist der «Wildwest-Protz» Zeph Spalding, ein auf Hawaii reich gewordener Zuckerbaron. Denn der «Gauner» Spalding verweigert die Einwilligung in die Liebesheirat des Alpenkurarztes mit seiner Tochter Kitty. Frustriert, aber auch angetrieben von diesem Affront, entwickelt Berry einen bemerkenswerten Tatendrang. Er stellt sein Leben auf den Kopf, hängt den Arztberuf an den Nagel und wird, seinem Idol Segantini nacheifernd, Maler, der seine Motive – und seine Lebenskraft – in der Natur findet. Der Erfolg bleibt ihm allerdings verwehrt.
Die Geschehnisse um Berry spielen mitten im Aufstieg von St. Moritz vom Bauerndorf zum mondänen Belle-Époque-Kurort Anfang des 20. Jahrhunderts. In der Lebensgeschichte des Arztes und Malers spiegeln sich typische Merkmale dieser Zeit, die zuweilen verblüffende Ähnlichkeiten zur Gegenwart aufweist: Naturliebe und Naturzerstörung; Reichtum, Dekadenz und Entfremdung; Globalisierung, Beschleunigung bis zur Erschöpfung, Neurasthenie – heute vergleichbar mit Burnout oder Fatigue – und Wellnessboom.
Berrys Denkweise, die sich auf Friedrich Nietzsche und Georg Simmel beruft, prallt auf den Materialismus angelsächsischer Prägung. In bildhafter Sprache schreibt er darüber, aber auch über das Engadin, die Gesell-schaft, Kunst, Philosophie, Medizin – und Liebe. Aber auch über seine Studienorte Paris, München und Berlin, über Salons, Künstlerakademien und Universitäten. Berry schöpft in seinen Texten aus einem profunden Wissen und reflektiert sich und die Welt sehr geistreich. Aus den Schriften wird im Buch reichlich zitiert. In seinem künstlerischen Schaffen vermag Berry es jedoch nicht, die Schwelle zur Moderne kon-sequent zu überschreiten, sie ist ihm zu zeitgeistig.