Über Monster, Teil 2

Frankenstein, CS/UBS, Katerstimmung
Über das Zusammenfügen eines Monsters am Beispiel der Fusion zweier Großbanken. Mary Wollstonecraft Shelleys Frankenstein hat die Operation vorexerziert. Mit zweifelhaftem Erfolg. 2. Die Operation
Aus einer Installation in Wil (SG) von M.S. Bastian und Isabelle L.
Alex Feuerstein, Vulkan #15

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Ingolstadt, November 17**

Doktor Victor Frankenstein sitzt in seiner Kammer. Der Regen prasselt gegen die Fensterscheiben. Bei Kerzenlicht grübelt er über seinem Werk, das vor ihm auf dem Tisch liegt: ein von ihm zusammengenähter menschenähnlicher Körper. Die künstliche Schöpfung eines Menschen soll der Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Forschung darstellen. Das Material hat er an verschiedenen Orten gefunden: im Schlamm der Friedhofserde, in und an lebendigen Wesen, in Beinhäusern, im Sezierraum und im Schlachthaus. Teil um Teil, Organ um Organ hat er alles zu einem Ganzen zusammengefügt. Jetzt fehlt lediglich der letzte Schritt: der Kreatur Leben einhauchen. Der Doktor verbindet sein Bein über ein Kabel mit dem leblosen Wesen auf dem Tisch. Über seine Muskeln soll in einem Galvanisierungsprozess Elektrizität erzeugt werden, die seine Schöpfung lebendig machen soll. Und tatsächlich: Im Schimmer der langsam erlöschenden Kerze sieht er, »dass sich das trübe gelbe Auge der Kreatur öffnete. Sie atmete schwer und ihre Glieder wurden von krampfhaften Zuckungen geschüttelt.« Frankenstein schreckt zurück. Das Wesen hätte schön sein sollen, die Glieder ebenmäßig. Was er sieht, ist aber alles andere als erfreulich: »Schön! Großer Gott! Seine gelbliche Haut verdeckte kaum das darunterliegende Geflecht aus Muskeln und Arterien.« Die Augen sind wässrig und grau, die Gesichtsfarbe fahl. Erschöpft aus Überarbeitung und Enttäuschung flieht der Doktor aus dem Raum. Als er zurückkehrt, ist seine Kreatur verschwunden. Frankensteins Monster macht sich auf die Suche nach Gesellschaft, nach einem normalen Leben. Es lernt, liest, bildet sich. Aber je mehr es lernt, desto bewusster wird ihm seine Abnormität, erkennt es sein Dasein als »Ungeheuer, als Schandfleck der Schöpfung.« Die Menschen reagieren mit Abscheu, wenn sie es sehen. Niemand schenkt ihm Zärtlichkeit oder Zuwendung. Das Monstrum verzweifelt, ist verbittert. Enttäuscht wendet es sich von den Menschen ab und verwandelt sich zu einem gefährlichen Geschöpf, das tötet, Horror verbreitet. Es übt Rache und verfolgt seinen Erschaffer durch halb Europa. Frankenstein überlegt sich, seinem Geschöpf eine Partnerin hinzuzubasteln. Aber er verwirft den Gedanken wieder. Was geschähe, wenn sich das Paar vermehrte? In der Eiswüste der Arktis endet das Drama: Frankenstein wird von seiner Schöpfung umgebracht, das Monster entschwindet auf einer Eisscholle.

Zürich, März 2023

Nachdem die zweitgrößte Schweizer Bank Credit Suisse (CS) in Schieflage geraten war, wurde sie vom größten Schweizer Geldhaus, der Union Bank of Switzerland (UBS), gekauft. Die liberale NZZ betitelte den Kommentar zum Quasi-Zwangskauf mit: »Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht.« Yves Weggelin von der linken WoZ twittert: »… die Schweiz erhält eine Monsterbank.« Seither ist das »Monster« in aller Munde.

Ein paar Worte zur Credit Suisse: Der Eisenbahn-Unternehmer Alfred Escher gründete 1856 die Schweizerische Kreditanstalt (SKA). Wie der Name besagt, ging es primär darum, Kredite zu gewähren, um den Ausbau des Eisenbahnnetzes und die Industrie zu unterstützen. Es begann eine Bankgeschichte, in der Erfolg und Misserfolg, Umstrukturierungs-, Krisen-, Expansions- und Konsolidierungsphasen sich abwechselten. Die SKA expandierte in die USA (Lizenz als Vollbank 1964 in New York), gründete mit der CS-Holding eine Schwestergesellschaft (1982) und wurde 1989 dessen Tochter. Es folgten etliche Zukäufe: die Volksbank (1993, damals die viertgrößte Schweizer Bank), Winterthur Versicherungen (1997), Warburg Pincus & Co (1999), Donaldson, Lufkin & Jenrette (2000), Clariden Leu (2012, nachdem die CS vorher schon Subholding-Partner der Gruppe war) und Teile von Morgan Stanley (2013); die Winterthur Versicherung wurde 2006 wieder verkauft. Die Finanzkrise 2008 überbrückte die CS mit Geld von neuen Großaktionären aus dem arabischen Raum (Olayan, katarischer Staatsfonds). Jüngst kam weiteres Kapital von der Saudi National Bank. Die CS stand aufgrund mehrerer Skandale (Greensill, Archegos, Milliarden-Busse für Beihilfe zu Steuerhinterziehung, Milliardenbusse für illegale Geschäfte mit Hypotheken) und dem stetigen Werteverlust unter Beobachtung der Bankenaufsicht.

Auch die Käuferin Union Bank of Switzerland (UBS), ihrerseits ein Zusammenschluss der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) und des Schweizer Bankvereins (SBV), durchlebte, wenn nicht gleiche, so doch vergleichbare Phasen. Die UBS etwa musste in der Finanzkrise vor 15 Jahren mit staatlichen Garantien gerettet werden, sie hat sich unterdessen aber wieder aufgerappelt.

Zürich, ab März 2023

Wir stellen uns die CS und die UBS als zwei Geschöpfe in Frankensteins Labor vor, die zu einem Wesen vereint werden sollen. Das Kleinere liegt stark lädiert auf dem einen Operationstisch. Eigentlich wäre es noch bei Kräften, ist aber verletzt und verliert zu viel Blut. Es schlägt um sich, ohne dass sich erahnen lässt, inwiefern diese ungelenken Bewegungen vom Gehirn gesteuert sind oder gar wahrgenommen werden. Das Größere liegt angespannt auf dem Nachbarstisch. Die Rolle des operierenden Doktors nehmen das Management und der Verwaltungsrat der Banken wahr. Im Hintergrund beobachten die Regierung, die Bankenaufsicht, einzelne Bundesstellen und die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Szenerie, bereit, bei Problemen einzugreifen. Und weiter hinten verfolgen internationale Beobachter das Geschehen. Die Behörden und die SNB sind fünf Tage vorher darüber unterrichtet worden, wie schlecht es um den Patienten steht. Für die Vorbereitung ihrer Rolle ist nicht viel Zeit geblieben. Der vorherige bundesrätliche Operationsleiter meinte noch vor fünf Monaten, dem Patienten gehe es gut, er brauche lediglich etwas Ruhe. Grund für die Präsenz der Regierungsstellen ist die Sorge, dass der Patient im Labor – das im Finanzmarkttrakt liegt – in letzter Zeit keinen stabilen Eindruck hinterlassen hat. Ohne behördliches Eingreifen könnte das Labor in die Luft fliegen. Denn das Ableben des kleineren Geschöpfs wäre kein stiller Abgang, im Gegenteil, im Todeskampf würde es alles Umgebende mit sich reißen, vulkanähnliche Erschütterungen hervorrufen. Tamboramäßig. Das Labor würde zerstören werden, der darauffolgende Brand möglicherweise den Finanztrakt, das ganze Haus und die Nebengebäude erfassen. Das wollen die englischen, französischen, deutschen und US-amerikanischen Anrainer verhindern. Jetzt stehen sie also vereint da und schauen nervös auf die hell erleuchtete Liege.

Die Operateure beginnen nun am CS-Körper zu schnipseln. Sie entscheiden, welche Stellen entfernt und umgewandelt, welche Geschwüre weggeschnitten werden, wo bei der größeren UBS etwas hinzugefügt wird. Die passenden Organe werden angenäht oder hineinoperiert und man hofft, dass sie miteinander kooperieren. Glieder werden abgetrennt, Unbrauchbares abgestossen. Unförmiges, das das Fortkommen erschweren oder behindern könnte, wird entfernt. Dabei handelt es sich meist um Menschen. Redlicherweise muss erwähnt werden, dass die Hexer ihre Teile nicht auf dem Friedhof oder im Schlachtraum holen, wie einst Frankenstein, es ist alles schon da, aber zum Teil in bedenklichem Zustand. Beim Öffnen des Leibes könnte Unvorhergesehenes entdeckt werden. Es ist mit Überraschungen zu rechnen, etwa angefaulte Organe. Vermutlich wird an lebenden Unternehmensteilen seziert, was heikel und schwierig ist. Das Anästhesieteam versucht sein Bestes, aber Schmerzen sind nicht zu vermeiden. Salopp gesagt dürfte die Zusammenlegung der beiden Abteilungen für Compliance sehr kompliziert werden und wie viele Teile im Retail-Bereich übrigbleiben, ist ungewiss.

Nach der ersten Phase der Operation sollen die Doktoren vom Bund an den Tisch treten: Sie, die Nationalbank und die UBS müssen das neu entstehende Monster zum Laufen bringen. Der Bund ist deshalb dabei, weil es möglicherweise Hilfe in Form von Krediten braucht. Der Staat per Steuerzahlende, die Schweizer Nationalbank und das Management werden sodann mit dem neuen Monster verkabelt. Die Laborleitung hofft, ein möglichst kleiner Galvanisierungsimpuls könne das Geschöpf zum Leben erwecken. Es gelingt. Der Staat sollte nun im Labor und wach bleiben, nicht dass das Monster wie in der literarischen Vorlage ausbüxt und beginnt, sein Unwesen zu treiben. Wohlgemerkt: Shelleys Roman endet damit, dass der Schöpfer von seiner Schöpfung umgebracht wird.

In einer der Schlüsselszenen des Romans spricht Victor Frankenstein ausführlich mit dem Monster, das heißt, das Monster zwingt Frankenstein, ihm zuzuhören. Es erzählt ihm sein Leben. Es ist eine Leidensgeschichte, denn das Geschöpf wird von niemandem geliebt. Es kommt an den Punkt, wo es erkennt, dass das angeeignete Wissen allein aus ihm noch keinen Menschen macht: »Welch seltsames Ding ist doch das Wissen! Es klammert sich an unser Inneres, wie eine Flechte an den Stein.« Das Monster ahnt, dass ihm dieses Innere fehlt, denn es scheint etwas zu sein, dass man nicht erlernen kann. Und das zum Wesen des Menschen gehört. Das Monster meint also nicht nur, ihm fehle Liebe und Anerkennung, sondern auch so etwas wie eine Seele.

 

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Virus

Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.

Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)