Best of Berset

Ein melancholischer Blick zurück mit Zitaten
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Icon Zum Gang der Pandemie
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Ach, das waren noch Zeiten, im März 2020, als noch wenig Klarheit über das Wüten und Wirken des Coronavirus bestand. Damals lief Bundesrat Alain Berset an den Medienkonferenzen, in denen die bundesrätliche Politik erläutert wurde, zur Höchstform auf.
Zum Glück sind sie nur zu zweit. (Bild: Der Spiegel)

Bundesrat Alain Berset steht seit Beginn der Pandemie im Scheinwerferlicht. Zuallererst galt es in der Coronakrise, das Infektionsgeschehen mit allen Mitteln zu beruhigen. Die Fäden der Pandemiebekämpfung liefen in den Händen des Gesundheitsministers zusammen. Unterdessen schwafeln alle mit, mehr oder minder akkurat.
Medienkonferenzen, Fragestunden und Interviews sind nicht zwingend immer erhellend. Es wird gesagt – kommuniziert –, was gesagt werden kann und gesagt werden darf. Es geht kaum je um die Offenlegung sämtlicher relevanten Fakten, denn es soll den Leuten weder Höllenangst eingejagt, noch Panik verbreitet, noch überschäumende Zuversicht versprochen werden, sondern man will beschwichtigen. Zuweilen gibt es hübsche Aperçus, wenn die Worte nicht immer von einem Zettel abgelesen werden. Philosophisch tiefschürfende Einsichten darf man nicht erwarten, aber es sind Geistesblitze über das Wesen der Politik, und manchmal sind sie mit Humor und Schalk gewürzt.

Als Mutter aller Zitate gilt die Aussage von Donald Rumsfeld, von 2001 bis 2006 Verteidigungsminister der USA, aus einem Briefing am 12. Februar 2002:

»Es gibt bekanntes Bekanntes; es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekannte Unbekannten gibt: Das heißt, wir wissen, es gibt Dinge, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekannte Unbekannten – Dinge also, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.« (Über das unbekannte UnbekannteSteiner & Schmid II)

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verfügt über das intellektuelle Rüstzeug, in Debatten immer wieder mit denkwürdigen Einlassungen zu punkten. Unvergessen ist jenes Zitat aus der Fragestunde vom 9. Dezember 2020 im Bundestag, als sie auf einen Zwischenruf eines AfD-Abgeordneten, der die wissenschaftliche Fundierung der Wirksamkeit von Kontaktbeschränkungen anzweifelte, antwortete, Europa stehe heute, wo es stehe, wegen der Aufklärung und dem Glauben an die Wissenschaft. Den Faktenleugnern schmetterte sie entgegen: »Ich habe mich in der DDR zum Physikstudium entschieden, … weil ich ganz sicher war, dass man vieles außer Kraft setzen kann, aber die Schwerkraft nicht, die Lichtgeschwindigkeit nicht und andere Fakten nicht, und das wird auch weiter gelten.«

In der Schweiz backen wir zuweilen etwas kleinere Brote. Aber immerhin. Der Vorsteher des Bundesamtes für Gesundheit, Alain Berset, verfügt über das Talent, kleine politische Weisheiten in Kurzform abzugeben – das ist durchaus nicht ironisch gemeint –, dazwischen streut er aber auch immer wieder Pointen, die sich aus der Situation ergeben. Natürlich klingen die auf deutsch geäußerten Bonmots mit französischem Zungenschlag sehr charmant. Manchmal öffnen sich neue Bedeutungsperspektiven, wenn die Wahl bei der Übersetzung vom Französischen ins Deutsche haarscharf danebenliegt. (Die Beispiele stammen aus den beiden Medienkonferenzen vom 13. und 16. März sowie aus einem Interview in arena-spezial vom 16. März 2020.)

Über Politik:

»Entscheidungen zu treffen, die nichts bewirken, helfen nicht viel.«

(Bezüglich der Überlegungen über härtere Maßnahmen, die im Tessin angestellt wurden, wo sich die Lage im März 2020 früher zugespitzt hat:) »Es sind auch Gedanken, die uns helfen, auch mal zu überlegen und zu sehen, was es bedeutet.«

(Auf die Frage, wie die Chancen stehen, dass die 50-Leute-Regel bei Veranstaltungen und in der Gastronomie umgesetzt wird:) »Ich gehe davon aus, dass es umgesetzt wird, sonst ist es einfach illegal.«

(Auf die Frage, ob man etwas früher hätte handeln können, sagt Berset, es sei nicht einfach, den richtigen Zeitpunkt zu finden, die Maßnahmen müssen wirksam sein und akzeptiert werden:) »Ich muss Ihnen sagen: Zu früh! Ich würde fragen: Was macht der Bundesrat da? Spinnt er oder was? (tippt sich mit dem Finger an die Stirn) Und zu spät ist zu spät… Ich glaube, wir sind nicht so weit vom Moment, wo es richtig ist.«

»Wir sind schon fast an der Ausgangssperre, aber der Unterschied ist, dass wir keine Spektakelpolitik veranstalten.«

»Es ist nicht die Ausgangssperre, die uns schützt, es ist unser Verhalten, das uns schützt.«

»Was zählt, sind nicht die 15, 20 Sekunden der Ankündigung, sondern was zählt, ist, dass die Bevölkerung diese Maßnahmen wochenlang einhält.«

»Es ist sehr ehrlich. Es ist nicht so populistisch, keine große Meldung, 15 Sekunden, es ist aber sehr ehrlich.«

»Was würde man uns sagen, wenn (wir sagten, dass) wir jetzt nur warten müssten, weil man sagt, man wisse nicht genau, wie es jetzt weitergeht.« (Schwedenmodell)

Eine Variation davon: »Es ist keine Option, zu sagen, wir machen nichts und wir schauen, was passiert, und am Ende werden wir schauen, wo wir sind. Das können wir nicht verantworten.«

Zum 1. August und zu Solidarität:

»Wir sind ein Land, wo man bei der 1.-August-Rede immer wieder sagt, Solidarität ist wichtig, wir sind zusammen da, und so. Jetzt ist wirklich der Beweis (gefragt). Wir müssen jetzt liefern… Ich hoffe es schwer, dass es funktioniert.«

»Die Solidarität ist nicht nur ein Wort für Reden am 1. August. Jetzt ganz konkret haben wir die Möglichkeit, was es heißt in der Schweiz: Un pour tous, tous pour un. Was bedeutet das konkret jetzt?«

Aus der Abteilung komische Momente:

»Ich denke, dass man erklären kann, dass die Rekrutenschule nicht unter den Bereich Unterhaltung und Freizeit fällt.«

»Die Bars sind keine Betreuungsorte für Schüler und Kinder.«

»Geisterspiele sind nicht a priori ein Problem.«

»Unser Leben ist etwas mühsamer geworden.«

(Auf die Frage, wie Abstandhalten im Auto funktionieren soll:) »Wenn man einen Topolino hat mit vier Plätzen, ist es vielleicht nicht so eine gute Idee, da zu viert drinzusitzen. Vor allem, wenn noch einer Corona hat.«

(Und zuhause:) »Man kann jetzt die intimsten Fragen des Privatlebens hier ausbreiten, aber das wollen wir nicht.«

Ein später Nachtrag vom 12. Mai 2021:

(Auf die Frage, weshalb ein Wirt einen Geimpften, der als Fünfter zu einem Vierer-Jasstisch sitzt, wegweisen müsse:) »Ja, weil, normalerweise, wenn man jasst, es passiert zu viert.«

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Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.

Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)