Aus der Familiengeschichte: Ein wunderlicher Fund (6)

Gutachten zuhanden des Gerichts
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Zwei Expertenberichte belegen, dass die Adlerfibel vermutlich gefälscht wurde.
Die Adlerfibel von Tieschkowitz

(Über den Link Adlerfibel können alle Folgen angeklickt werden.)

Huber

Soweit der Haftbefehl. Jetzt wird’s langsam interessant. Es geht weiter mit der Urteilsbegründung des Münchner Gerichts. Darin wurde noch etwas näher auf die Art und Weise der Fälschungen eingegangen. Hierfür bestellte das Gericht zwei Gutachten. Eines, das den kunsthistorischen Hintergrund beleuchtet und ein zweites – und das war in den 1940er Jahren ein Novum –, das eine naturwissenschaftlich unterlegte Beurteilung der Schmuckgegenstände vorstellte.

Aus dem Gerichtsurteil der 1. Münchner Strafkammer vom 30. März 1940:

(…)

Was die Frage der Echtheit der Schmuckstücke betrifft, stützt sich das Gericht auf die Gutachten von zwei Sachverständigen, die angefordert wurden.

Einerseits wurde beauftragt:

Herr Prof. Dr. Hermann Zobel vom Institut für Früh- und Vorgeschichte der Universität München, er ist ein Kenner der Völkerwanderungszeit mit ihren Ausdrucksformen und Stilen und er ist mit den lokalen Bedingtheiten bestens vertraut.

Andererseits wurde beauftragt:

Herr Prof. Dr. Carl Neuhofen, Professor für Früh- und Vorgeschichte an der Universität Köln, Studium der Chemie und der Früh- und Vorgeschichte in München, daher spezialisiert auf mikroskopisch-chemische Untersuchungen von Funden aus der Vorzeit und auf Echtheitsforschung. Prof. Neuhofen hat gegen Lunewitz Anklage erhoben.

Prof. Zobel hat aus kunsthistorischer Warte die Stilreinheit untersucht. Er kommt zum Schluss, dass vor allem gruppenfremde Stilelemente und technische Einzelheiten an dieser, wie er meint, »leidlich gelungenen und geschickten neuzeitlichen Fälschung« zu bemängeln sind. Offenbar hatte der ausführende Goldschmied die bisherigen Adlerfibeln genau studiert und verfügt über vertiefte Kenntnisse der Formensprache. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass das Zellwerk plump wirkt (zum Beispiel die Fassung der Almandinen) und der Umriss des Vogels befremdend starr gestaltet ist. Das radförmige (mit Speichen) Auge ist verglichen mit ähnlichen Stücken äußerst ungewöhnlich. Die Mischung von verschiedenen Ziermotiven ist auffällig. Die Imitationen von geperlten Drähten, die die Fibel umfassen, sind stilhistorisch nicht nachvollziehbar. Der verwendete Perldraht wurde in der vorliegenden Fibel mit im Altertum nicht gekannter Gleichmäßigkeit gefertigt, es gab damals diese Technik des gezogenen Drahtes aber noch gar nicht. Der Perldraht ist sowieso bei keiner anderen, vergleichbaren Adlerfibel nachzuweisen. Zudem wurden die Perlen offensichtlich mit einer Perlpresstechnik eingesetzt, die man damals ebenfalls noch nicht kannte. Auch der Einsatz von gewölbten, mugeligen Almandinen war noch nicht bekannt. Der moderne Fälscher sei zwar raffiniert vorgegangen, die Überprüfung habe deshalb durch Spezialforscher vorgenommen werden müssen, schreibt Prof. Zobel. Van Thomas Theorie, dass es sich bei den Zellmustern um eine Entwicklung handle, müsse verworfen werden, es sei keine Stufenabfolge erkennbar. Es gibt schon in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts diese Art des Zellwerks, beispielsweise beim Halsschmuck von Pietrossa, führt Prof. Zobel in der Befragung aus. Ein stilistisches Detail fügt Prof. Zobel noch am Schluss an: Auf echten Adlerfibeln laufen die senkrechten Zellenreihen bis an den Rand des Zierstücks, das auf die Mitte des Vogels gesetzt ist. Auf der Tieschkowitzer Fibel jedoch wird dieses Mittelzierat ungewöhnlich stark herausgehoben und die Zellen laufen nicht bis zum Rand. Außerdem sei die Verwendung von Gold viel zu üppig. Bezüglich des Gutachtens des van Thoma merkt Prof. Zobel an, dass darin lediglich auf vier Adlerfibeln verwiesen wird, das sei eine zu kleine Auswahl, um überzeugende und schlüssige Ergebnisse zu präsentieren. Die Auswahl decke sich merkwürdigerweise haargenau mit jener im Übersichtswerk von Herbert Kühn, Vorgeschichtliche Kunst Deutschlands (1935). Hinzu kommt, dass zwei dieser vier Fibeln gefälscht sind (Brüssel und Neuyork). In den Fachzeitschriften sind dreimal so viele Fibeln untersucht und vorgestellt worden. Es ist üblich, auf mehrere ähnliche Objekte zu verweisen, um eine wissenschaftlich schlüssige Argumentation aufzubauen.

Prof. Neuhofen hat unter Zuhilfenahme von Lupe, Mikroskop und Reagenzglas die Fibel analysiert. Zudem hat er auf Grund der Nachprüfung der Fundberichte die Technik der Herstellung und das Rohmaterial untersucht. Das eingesetzte Feingold zeige erstaunlicherweise keine nennenswerten Abnützungs- und Lagerungsspuren. Der Zustand des Goldes war also zu gut, als dass es so lange unbemerkt im Moor gelegen haben könnte. Auch Gold wird, wenn es ununterbrochen in der Erde liegt, in Mitleidenschaft gezogen, insbesondere durch Umsetzungen elektrolytischer Art. Es bildet sich eine Patina. Davon war nichts zu erkennen. Zudem weise die Zusammensetzung des Goldes darauf hin, dass das Rohmaterial wegen seiner Reinheit entweder aus Afrika oder Südamerika stammen müsse, damals gab es in unserem Gebiet noch nicht solch reines Gold (das üblicherweise verwendete Gold bei ostgotischen Schätzen käme aus Siebenbürgen oder dem Ural). Heutzutage könne reines Gold industriell hergestellt werden. Beispielsweise die Firma Degussa habe sich darauf spezialisiert. Vermutlich hat der Fälscher das Material bei dieser Firma erstanden. Das Stück wurde aus gewalztem Goldblech hergestellt. Diese Fabrikationsart kannte man zur Zeit der Goten nicht. Auf der Schauseite seien verdächtig viele frische, gleichmäßige Feilstriche zu finden, das seien also kaum Kratzspuren infolge des Alters und der Lagerung in der Erde, wie das auf den ersten Blick scheinen mag, sondern die seien willkürlich appliziert worden und dienen der Täuschung. Es sind zwischen den Steinen und den Stegrändern Leerräume zu entdecken, die sich bei 1500jährigem Lagern mit nachsickerndem Regenwasser und mit kleinsten Wurzelresten hätten füllen müssen, das war nicht der Fall. Die roten Steine (Almandinen) seien für eine solche Prachtfibel von enttäuschender Güteklasse. Auf der Rückseite sei unter dem Mikroskop eine rezente Schweineborste entdeckt worden, die von einem Pinsel stamme und die fest verklebt war mit der angeblich »uralten Erde«. Zudem seien die Erdkörner auf der Vorder- und der Rückseite unterschiedlich groß, was eigentlich darauf hindeuten würde, dass die Fibel in zwei verschiedenen Erdschichten gelagert war. Dass sie ausgerechnet an der Schnittstelle zweier solcher Schichten lag, ist höchst unwahrscheinlich. Es habe, wie bei echten Funden üblich, nirgends vergangene organische Substanzen nachgewiesen werden können. Der Sinterauftrag auf der Rückseite, der die »uralte Erde« simulieren solle, ist ein mit Kalk und Sand versetztes Natriumsilikat und wurde mit einem Pinsel aufgetragen. Beim Auftrag dieses demnach künstlich hergestellten Schlammes ist offenbar eine Schweineborste vom Pinsel gefallen. Ebenfalls unter der »jahrhundertealten« Sinterkruste wurde eine abgebrochene Pinzettenspitze gefunden. Die Kruste habe zudem noch gelblich-rötlich gefärbt werden müssen. Dabei konnte chemisch bewiesen werden, dass ein wasserlösliches Kupfersalz eingesetzt worden war. Kupfersalz wird häufig von Fälschern benutzt, um den Anschein von Bronze vorzutäuschen. Dies deutet darauf hin, dass ein bekannter Fälschertrick angewendet wurde, um den Eindruck zu erzeugen, die Fibel sei im Moor gelegen.

Des Weiteren schlägt Prof. Neuhofen vor, eine Stelle einzurichten, die die Echtheitsforschung in solchen Fällen zentral organisiert und sich eine Liste ausgewiesener Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten zulegt. Dabei könne ein Objekt von verschiedenen Wissenschaftlern von verschiedenen Seiten her geprüft werden. Für ihn steht hierbei die Lehr- und Forschungsgemeinschaft »Das Ahnenerbe« beim Reichsführer-SS im Vordergrund, welches hervorragend und schnell arbeite und die nötige Verbindung zur Polizei habe.

Fortsetzung hier.

Hier geht’s zu Teil 1 des Kunstskandals.

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Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.

Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.

Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2, 

(abgerufen am 2.5.2020)