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Neutralität in der Bredouille
Der Kater: Über die gereizte Stimmung in der Neutralitätsdebatte.
20. September 2023
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Tja, geschätzte Leserin, geschätzter Leser, war also nichts mit dem Lottogewinn für Huber. Alles erstunken und erlogen. Die vorgelegten Beweise der beiden Herren Professoren wirkten überzeugend und stichhaltig. Huber hielt offenbar eine Fälschung in den Händen, und es war klar, dass die anderen Artefakte, die in der Schatulle waren, ebenfalls ganz oder teilweise gefälscht waren.
Oder irrten am Ende etwa die beiden Wissenschaftler?
Im nächsten Umschlag, den Huber öffnete, fand er wiederum ein Protokoll. Diesmal handelte es sich um eine Sitzung in den Räumlichkeiten des Reichsbundes für Vorgeschichte. Eine illustre Gruppe von Fachleuten hat sich zusammengefunden. Und das Thema »Adlerfibel von Tieschkowitz« ist noch nicht abgeschlossen. Der Fall sollte nochmals neu aufgerollt werden:
Reichsbund für Vorgeschichte, Matthäikirchplatz 8, Berlin W 35
Berlin, 23. Juli 1941
Betr. Adlerfibel von Tieschkowitz, Schatz von Schirak
Besprechung der Ergebnisse der Überprüfung aus der Neuuntersuchung der Fundstücke von Tieschkowitz, Gerstheim und Schirak
(nur für den internen Gebrauch)
Anwesend:
Prof. Dr. Hans Reinerth, Berlin, Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte Reinerth
Dr. Erich Baumeister, Kunsthistoriker Wien
Dr. Balaczs Ferenci, Nationalmuseum Budapest
Prof. Dr. Heinrich Klumphahn, Reichskommissariat Kiew
Dr. Benjamin van Thoma, München
Reinerth: Meine Herren, der Verantwortliche der NSDAP hat mich beauftragt, die von Ihnen verfassten Gutachten der Parteikanzlei zukommen lassen. Ich bitte um kurze Stellungnahmen über Ihre zentralen Erkenntnisse, damit die hier anwesenden Kollegen über alle Ergebnisse lückenlos unterrichtet sind. Da Herr Dr. van Thoma im Gerichtsfall Lunewitz scharf angegangen worden war, hat er hier am Schluss die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge vorzutragen. Ich bitte Sie, sich zuerst zur Tieschkowitzer Adlerfibel zu äußern. Die Stücke von Gerstheim und der Schatz von Schirak sind nicht so wichtig und werden nachher besprochen. Herr Dr. Ferenci, Sie haben das Wort.
Ferenci: Meine Untersuchung hat ergeben, dass das Originalstück harmonisch gearbeitet und ausgesprochen gelungen ist. Die Zellenkunst ist herausragend. Ungewöhnlich und etwas seltsam fand ich die übergroße Form der Scharnierkonstruktion und des Nadelhalters. Sie kommt in ungarischen und russischen Goldfibeln so nicht vor. Ungewöhnlich war für mich auch die Montierung des Perlstabes am Rande des Stückes, ausgeschlossen ist das allerdings nicht, es würde auf eine spezielle, einzigartige Machart hindeuten, die bei späteren Fibeln nicht mehr verwendet wurde. Das aus Zellen gebildete Stück lässt aber an seinem Rand genug Platz für eine Verzierung, wie das bei anderen echten Arbeiten der Fall ist. Ich konnte einwandfrei feststellen, dass hier die gewöhnliche, gute Technik der altgermanischen Goldzellenarbeit angewendet wurde. Die Reste der anhaftenden Erde sitzen so fest, wie das bei Stücken, die Jahrhunderte unbewegt im Bruch gelegen sind, vorzufinden ist. Bei Fälschungen würde die angemalte Farbe leicht abblättern. Zudem ist eine Patina festzustellen.
Die große Überraschung war aber, was sich mir enthüllte, als ich den mittleren Zierstein weggenommen hatte. Unter dem Stein machte ich eine aufsehenerregende Entdeckung, die für die weitere Forschung an solchen Fibeln wegweisend sein wird. Zudem ist diese Entdeckung für den Beweis der Echtheit der Fibel von entscheidender Bedeutung. Unsere Kenntnisse über die kulturgeschichtlichen Zusammenhänge der ganzen Denkmalgruppe werden sich dadurch vermehren. Was konnte ich nun entdecken: Erstens, der gewölbte Zierstein ist hohl. Darunter kam zweitens eine sorgfältig gearbeitete, ebenfalls gewölbte Goldplatte zum Vorschein. Darauf war drittens – und das ist eine Sensation – ein ausgeschnittenes, arianisches Kreuz angebracht. Hier habe ich die Bilder. (Ferenci verteilt Abbildungen in die Runde.) Der Stamm des Kreuzes ist 5,3 Millimeter, die anderen drei Arme sind 4,5 Millimeter lang. Das sind jene Proportionen, die die Arianer für das Kreuz festgelegt hatten, welche im ostgotischen Siedlungsgebiet ansässig waren, zum Beispiel auf der Krim, wie Sie ja sicher wissen, Herr Professor Klumphahn.
Dass solche verborgenen Glaubensbekenntnisse einer verfolgten Religionsgruppe in Adlerfibeln versteckt wurden, war bisher nicht bekannt. Die Arianer waren ja, wie Ihnen allen geläufig sein dürfte, nach dem Konzil von Nicäa als Häretiker zu betrachten. Ein Fälscher kann das alles doch gar nicht gewusst haben. Solche Feinheiten wurden in keiner kunsthistorischen oder archäologischen Schrift je erwähnt, geschweige denn abgebildet. Ein Fälscher zieht eine solche spezielle und merkwürdige, für jene Zeit aber ausgezeichnete Lösung kaum in seine Erwägungen, wenn er sich an die Arbeit setzt. Wie sollte er überhaupt auf diese Idee kommen?
Zudem meine Herren: Am Boden der Zelle ist eine feine Staubschicht zu finden, die gar nicht künstlich herzustellen ist.
Man könnte die Beweise noch vermehren, aber das Gesagte und vor allem die Entdeckung des arianischen Kreuzes sind ausreichend, um die Echtheit der Adlerfibel von Tieschkowitz für jeden Beschauer außer Zweifel zu stellen.
Reinerth: Herr Professor Klumphahn, bitte.
Klumphahn (wendet sich an Ferenci): Natürlich ist mir das mit den Arianern bekannt, Herr Kollege Ferenci (höfliches Gelächter). Massive Grundplatten aus Gold wurden während der Völkerwanderungszeit verbreitet eingesetzt, war also alles andere als ungebräuchlich. Wie der Herr Kollege bereits ausgeführt hat, ist die Verwendung des massiven Nadelhalters zwar ungewöhnlich, aber nicht völlig unmöglich. Der Kerbrand und der Perlrand fallen bezüglich Machart und Breite nicht weiter auf und sind ebenfalls üblich bei altgermanischem Schmuck. Die echten und alten Almandinen sind eigens für dieses Schmuckstück zugeschliffen worden. Wären sie aus einem anderen Objekt entnommen worden, wären ältere Schliffspuren nachzuweisen gewesen. Ebenfalls die Verwendung von mugeligen Steinen ist nicht weiter auffällig. Dass stilistische Eigenarten, die bei früheren Adlerfibeln noch nicht aufgetaucht waren, zu Tage treten, heißt noch lange nicht, dass eine Fälschung vorliegt, sondern gar, dass vielleicht eine Entwicklung eingeleitet worden ist. Auch wenn diese später nicht weiterverfolgt wurde. Die Anzahl gefundener Adlerfibeln ist ohnehin zu klein, als dass unbekannte Stilelemente zwingend auf eine Fälschung hindeuten würden. Die Fibel macht unbedingt den Eindruck der Echtheit.
Reinerth: Herr Dr. Baumeister, bitte.
Baumeister: Als ich im Juni 1938 die Fibel aufgrund von Abbildungen als falsch erklärte, stützte sich dieses Urteil weitgehend auf die grobe Ausführung des Nadelhalters und der Stege. Diese Woche hatte ich die Gelegenheit, die Fibel in den Händen zu halten. Der Eindruck ist ganz ein anderer und alles andere als grob. Die Wirkung des Originals hat mich überrascht. Da die Fibel unterdessen gereinigt worden ist, konnte ich keine weiteren Abklärungen über die Erdreste, Patina und so weiter vornehmen. Ich hatte meine Bedenken schon etwas zurückgenommen. Nachdem nun auch ich den Mittelstein herausgenommen und darunter das Goldblech mit dem Kreuzausschnitt untersucht habe, sind meine Bedenken vollständig verflogen. Ich halte das Stück für zweifelsfrei echt und schließe mich dem Urteil von Ferenci an.
Reinerth: Zum Schluss Herr Dr. van Thoma, bitte.
Van Thoma: Es stehen mein Bericht im »Germanen-Erbe«, mein Gutachten und die Gegengutachten der Herren Zobel und Neuhofen zur Debatte. Ich will mich hier auf die stilistischen Merkmale konzentrieren und mich nur am Rande zu den naturwissenschaftlichen Einwänden äußern.
Ich bedanke mich bei meinen Kollegen, die alle mit viel mehr Wissen und fundierteren Methoden der Wissenschaft zu Werke gegangen sind als ich, der ja eigentlich ein einfacher Privatgelehrter ist. Es freut mich, dass dieses Gremium zum Schluss kommt, dass die Tieschkowitzer Adlerfibel echt ist und die Herren Professoren Zobel und Neuhofen mit ihren Gutachten falsch liegen.
Reinerth: Die schriftlich abgegebenen Gutachten werden der Parteikanzlei NSDAP, dem Amt Rosenberg und der Oberstaatsanwaltschaft 1 in München zugeleitet. Es wird eine Wiederaufnahme des Verfahrens angestrebt. Die Gutachten stimmen voll überein. Unsere Stellungnahme wird als »Stellungnahme des Reichsbundes für Vorgeschichte zur Adlerfibel von Tieschkowitz« bezeichnet. Sie steht im Gegensatz zu den Münchener Sachverständigengutachten von Zobel und Neuhofen. Ich gehe davon aus, dass Sie mit diesem Vorgehen einverstanden sind.
Es geht weiter mit Gerstheim…
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Im Gegensatz zu den anderen Figuren, die nicht mit historischen Personen identisch, jedoch stark nachempfunden sind, gab es Hans Reinerth tatsächlich. Reinerth war Professor an der Universität Berlin und Vorsteher des »Reichsbund für Vorgeschichte«, der sich bis 1933 »Deutsche Gesellschaft für Vorgeschichte« genannt hatte. Der Reichsbund war mit der NSDAP verhängt und stand ab 1939 unter dem Patronat des »Amt Rosenberg«. Von Rosenberg selbst wurde Reinerth dafür bestimmt, Beauftragter für die »weltanschauliche Erziehung« zu werden. Später wirkte der Professor direkt im »Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg« (ERR) und er war ab 1942 zuständig für die »Sicherung« – ein Euphemismus für Raub – von Kulturgut in der Ukraine und Südrussland. Anders als etwa in Frankreich, wo der ERR gerne zeitgenössische Kunst »sicherte«, standen im Osten archäologische und historisch relevante Objekte im Vordergrund. Reinerth war eher unbeliebt in der Akademiker-Gilde und er wurde von verschiedenen Seiten scharf angegriffen. Ihm wurde vorgeworfen, dass er unbequeme Leute diffamiere und mit willkürlich erhobenen, ideologisch durchtränkten Vorwürfen belaste. Offenbar war er im persönlichen Umgang unangenehm. 1945 wurde er aus fadenscheinigen Gründen aus der NSDAP ausgeschlossen. Nach dem Krieg konnte er seine Universitätskarriere nicht fortsetzen. 1949 wurde er ebenfalls aus der Wissenschaftsgemeinde Ur- und Frühgeschichte ausgeschlossen. Er war Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen am Bodensee. Reinerth starb 1990.
Der Pandemieplan Schweiz, in der aktuellen Fassung der Influenza-Pandemieplan Schweiz 2018, ist ein Planungsinstrument, das Strategien und Massnahmen zur Vorbereitung der Schweiz auf eine (Influenza-)Pandemie dokumentiert. Er wird von der Eidgenössischen Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegeben.
Der erste Pandemieplan für die Schweiz wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Robert Steffen ausgearbeitet. Die Vorarbeiten wurden 1995 begonnen; der erste schweizerische Influenza-Pandemieplan wurde im Jahr 2004 veröffentlicht. Ein zentrales Anliegen sei laut Steffen dabei gewesen, dem Bund die Führung zu überlassen.
Nach den Erfahrungen in der Bewältigung der Influenza-Pandemie 2009 wurde der Schweizer Pandemieplan vollständig revidiert.
Kristian G. Andersen et al, The proximal origin of SARS-CoV-2,
(abgerufen am 2.5.2020)